Zurzeit arbeitet Nilgün als Dozentin für Computerkurse und gibt gelegentlich weitere private Kurse. Sie ist Co-Projektleiterin bei WIDE Switzerland und Kursleiterin für Wirtschaftskompetenz sowie Ernährungssysteme aus feministischer Perspektive. Darüber hinaus beratet und begleitet Nilgün Migrantenvereine bei der Entwicklung und Umsetzung ihrer Projekte.
Nilgün wurde in Gaziantep, einer der grossen Metropolen der Türkei, geboren und ist dort aufgewachsen, bis sie aufgrund ihres Studiums der Wirtschaftswissenschaften in eine andere Stadt zog. Gaziantep ist eine multikulturelle Stadt und ein altes Siedlungsgebiet in Mesopotamien, an der Grenze zu Syrien. Diese vielfältige Kultur hat sie stark geprägt und vielleicht dazu beigetragen, dass sie ein weltoffener Mensch geworden ist.
Aufgrund der politischen Situation ist Nilgün im Jahr 2000 in die Schweiz gekommen, um ein sicheres Leben zu führen. Sie engagiert sich für Menschenrechte, Gleichstellung, Chancengleichheit und Umweltschutz. Zu diesen Themen schreibt sie gelegentlich Artikel für türkische Medien, die auch in der Schweiz veröffentlicht werden. Im Rahmen eines Projekts bei WIDE Switzerland entwickelt sie derzeit ein Kursangebot aus feministischer Perspektive, um zu diesen Themen beizutragen.
Vor dem Kursbesuch im Jahr 2020 wollte sich Nilgün Özdal eigentlich nie selbstständig machen, sondern hatte immer irgendwo eine Festanstellung, auch weil ihre Kinder damals noch klein waren. Trotz eines Masterstudiums und zusätzlicher Weiterbildungen im technischen Bereich in der Schweiz waren die Tätigkeiten nie wirklich erfüllend, da es schwierig war, eine anspruchsvolle Teilzeitstelle zu finden. Besonders als Frau mit Migrationserfahrung fehlte es ihr an einem starken beruflichen Netzwerk.
Nilgün besuchte einen Kurs für qualifizierte Frauen mit Migrationserfahrung am CFD (heute Frieda, A. d. R.) in Bern. Der Kurs unterstützte die Teilnehmerinnen beim Erstellen von Bewerbungsunterlagen und gab Tipps, wo spannende Stellen zu finden sind. Nilgün hat dort sehr viele Frauen kennengelernt, die mit ähnlichen Herausforderungen wie sie selbst konfrontiert waren. In Gruppenarbeiten erstellten die Teilnehmerinnen zu unterschiedlichen Themen Präsentationen. Am Präsentationsanlass lernte Nilgün schliesslich jemanden von Crescenda kennen und meldete sich für das Gründungsprogramm an. Der Kurs war sehr inspirierend. Nilgün fand Kraft und Mut, sich selber auszudrücken, ihre Leistungen zu zeigen und auch mit anderen Menschen darüber zu reden. Eine Mentorin hat sie zudem dabei unterstützt ihre Leistungen und Kompetenzen noch stärker herauszustreichen und auch einen entsprechenden Ansatz hierfür auszuhandeln. Durch den Besuch des Gründungsprogramms ist sie Teil eines Netzwerks geworden. Nach wie vor stehen die Frauen aus dem Jahrgang 2020 zusammen in Kontakt und informieren sich, wenn sie interessante Stellen oder Weiterbildungen sehen. Nilgün schätzt dieses Netzwerk sehr, denn es gibt Geborgenheit und ist wie eine Familie. Alle sind zwar aus ganz unterschiedlichen Ländern und dennoch haben die Frauen viele Gemeinsamkeiten, wie die Herausforderung Familie und Beruf zu verbinden oder eine Stelle zu finden, wo sie ihr Potenzial entfalten können.
Nilgün wollte danach gerne eine Firma gründen, aber es war eine Herausforderung, denn sie benötigte auch eine finanzielle Sicherheit. Gemeinsam mit einer Kollegin hat sie erste Schritte gewagt. Ihre Idee im Gründungsprogramm war ein Projekt für Kinder in der Natur, vor allem für solche mit Migrationserfahrung und, die Schwierigkeiten hatten mit dem gängigen Schulsystem. In der Natur sollten sie spielerisch lernen können, was sie wiederum motivieren sollte. Das ist auch seit jeher Nilgüns eigene Erfahrung: Wenn sie etwas Neues lernen, denken oder schreiben möchte, dann geht sie stets raus in die Natur. Nilgün fügt hinzu, «dann bleibt es mir besser im Gedächtnis.» Die beiden mussten eng mit den Schulen arbeiten und benötigten ein grosses Netzwerk. Auch bei ihnen unterrichtenden Lehrpersonen konnten sie von Beginn an nicht zu viele Zugeständnisse machen. Wie bereits zuvor geschildert, waren auch bei diesem Projekt die finanziellen Mittel die Crux. Eine Bekannte hatte damals Nilgüns Präsentationsabend gesehen und hatte eine ähnliche Idee wie sie, aber weniger als Alternative zur Schule und vielmehr als Angebot für Kinder mit Migrationserfahrung. In den letzten beiden Jahren hat sie bei diesem Projekt mitgearbeitet, um das Selbstbewusstsein der Kinder zu stärken und das Zusammenleben zu fördern. Für Nilgün war dies eine sehr bereichernde Erfahrung, denn sie konnte ihre Ideen einbringen und beobachten, wie die Kinder sich entwickelten.
Ausserdem arbeitet Nilgün teilzeitlich als Co-Projektleiterin und Kursleiterin beim Verein “Wide Switzerland” in Bern. Der Verein hat europaweit verschiedene Standorte und ist ein Frauennetzwerk, das in den Bereichen Care Arbeit, Wirtschaft oder Entwicklungszusammenarbeit aktiv ist. Wir arbeiten an unterschiedlichen Projekten und akquirieren Fördermittel. Zudem beratet sie Migrantenvereine dabei, eigene Projektideen zu entwickeln. Frauen mit Migrationserfahrungen, die berufliche Einstiegsmöglichkeiten suchen und sich vernetzen möchten, empfiehlt Nilgün bei jeder Gelegenheit die Crescenda.
Im ersten Jahr haben Nilgün und ihre Freundin mit bescheidenen Mitteln begonnen. Zwischenzeitlich ist ihre Arbeit bekannter geworden und sie erhalten Fördermittel von Stiftungen oder vom Kanton Basel-Stadt und Baselland.
Nilgün ist nach wie vor eng mit Crescenda verbunden. Als Dozentin unterrichtet sie Computerkenntnisse im Rahmen des Berufstrainings sowie im Gründungsprogramm und in der Kooperative. Es ist für sie sehr spannend zu beobachten, wie Frauen mit Migrationserfahrung lernen und sich weiterentwickeln. Zu vielen Teilnehmerinnen ihrer Kurse hat sie weiterhin Kontakt. Mit Blick auf die Zukunft bleibt ein grosser Wunsch: Nilgün hat grosse Freude an ihren Projekten, möchte jedoch gerne einen eigenen Verein gründen, um Frauen mit Migrationserfahrung zusammenzubringen, ein Netzwerk aufzubauen.
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