Spenden

Interview mit Nahed Mustafa

Nahed Hakima Isabelle Corinna 2022

Der intensive Duft nach Morgenland strömt nach draussen und lockt einen ersten Gast an. Gekonnt verrichtet Nahed noch die letzten Handgriffe, bevor sie sich mit einem Lächeln an die Kundin wendet.

In Aleppo betrieb sie zuletzt mit ihrem Mann ein Internet-Café bis den unerbittlichen Bürgerkrieg in Syrien Nahed Moustafa, ihrem Mann und den drei Söhnen Ende 2012 der Heimat beraubte. Die Flucht aus Aleppo über die Türkei und Griechenland führte die ausgebildete Kindergärtnerin und ihre Familie in die Schweiz nach Delémont. Im Interview mit Crescenda erzählt Nahed, wie sie sich den Widrigkeiten zum Trotz in Liestal eine neue Existenz aufgebaut hat.

Welche Geschäftsidee wolltest du im Crescenda Gründungskurs umsetzen?
In Delémont, wo wir die ersten Jahre nach unserer Flucht verbracht hatten, kam mir auf einem Markt die Idee, syrisches Essen anzubieten. Mithilfe der Gemeinde erhielt ich die Bewilligung, jeden Samstag einen eigenen Stand auf dem Markt zu betreiben. Die Kundschaft hat uns oft ermutigt, ein kleines Restaurant zu eröffnen. Aber da dies mit Risiken verbunden ist und finanziell nicht möglich war, suchte ich nach anderen Möglichkeiten, mein Essen anzubieten. Eines Tages besuchten wir Familienmitglieder in Liestal, und ich meldete mich da auf ein Flohmarktinserat, über welches schlussendlich der Kontakt zu den Projektentwicklerinnen von denkstatt sàrl zustande kam. Im Rahmen der Umnutzung des Liestaler Ziegelhofareals erhielt ich Ende 2016 die Möglichkeit, in der brachgelegenen Brauerei ein eigenes kleines Take Away zu eröffnen. Durch denkstatt sàrl bin ich dann auch auf Crescenda aufmerksam geworden und konnte mir im Gründungs- und Gastronomiekurs das geschäftliche Know-How aneignen.

Welche Erfahrungen hast du im Kurs im Jahr 2017 gemacht?
Crescenda ist toll für Migrantinnen. Denn die Dozierenden zeigen einem, wie man Kontakte aufbauen und pflegen kann und wie man herausfindet, ob eine Nachfrage für ein Produkt besteht, wie man die Preise gestaltet und wie man es bewirbt. Ich habe auch viel neues Vokabular bei Crescenda gelernt und konnte mein finanzielles Verständnis erhöhen. Geschätzt habe ich die Vermittlung der Hygienevorschriften und die Hinweise zur Lagerhaltung. Die Dozierenden und die Mitarbeitenden von Crescenda hatten viel Geduld und haben mich immer unterstützt. Mit einigen Frauen aus meinem Kurs habe ich auch heute noch Kontakt, und es ist schön, wie wir alle voneinander lernen können.

Wie war der Präsentationsabend für dich und was hat sich durch den Kursabschluss verändert?
Durch die Inputs im Gründungskurs wurde mir bewusst, dass der Standort im Ziegelhofareal für die Laufkundschaft im Winter nicht optimal ist. So entstand die Idee, an zentraler Lage ein Verkaufs- und Bewirtungslokal zu suchen und die Speisen weiterhin auf dem Ziegelhofareal vorzubereiten. Ich wollte unbedingt im Stedtli etwas finden. Von Crescenda habe ich gelernt, dass man als Geschäftsfrau immer auf die Menschen zugehen muss und so habe ich das neue Lokal an der Rathausstrasse 76 gefunden. Der Präsentationsabend fiel zeitlich mit der Eröffnung des Take Aways im Stedtli zusammen. Das war eine stressige Zeit. Am Tag des Präsentationsabends hatte ich neben der Vorbereitung und Produktion des Apéros für meinen Stand noch zwei Catering-Aufträge und schaffte es in letzter Sekunde noch in den Ackermannshof. Ich war so nervös. Aber am Ende hat alles geklappt und die Besucher des Präsentationsabends haben mir gesagt, dass sogar meine Rede gut war (strahlt). Das war ein sehr schöner Abend.

Was bietest du an? 
Im Aleppo gibt es täglich frisch zubereitetes syrisches Essen, das man entweder mitnehmen oder im Lokal konsumieren kann. Ich mache aber auch Caterings für bis zu 200 Personen und freue mich sehr über neue Aufträge. Bei uns gibt es zum Beispiel landestypische Falafel, gefüllte Weinblätter, Küppe, das ist eine Mischung aus Bulgur, Hackfleisch, Zwiebeln und Walnüssen, Hummus und Auberginenmus. Jeden Tag gibt es einen vegetarischen Tagesteller und einen mit Fleisch und verschiedenen Reisgerichten, angereichert mit Gemüse und Mandeln. Ich biete aber auch syrischen Tee und authentischen Kaffee mit Kardamom und Süssspeisen wie syrische Baklava an. Das ist nicht zu vergleichen mit der türkischen, viel bekannteren Variante.

Was ist dein Wunsch für die Zukunft? 
In der Schweiz sind uns bisher so liebe Leute begegnet, ich meine im Speziellen die Mitarbeitenden der Gemeinde Liestal, der denkstatt sàrl, die Menschen bei Crescenda und selbstverständlich meine Kunden, ohne die ich keine Arbeit hätte. Wir sind sehr dankbar, und ich wünsche mir, dass noch mehr Kunden zu uns ins Aleppo kommen und dass wir eines Tages finanziell unabhängig sein können. 

(Das Interview erschien im Jahresbericht 2017)

Weitere Informationen zum Aleppo in Liestal finden Sie hier