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Interview mit Domingas Schaffner

Domingas klein

Aller Anfang beginnt mit Vertrauen

Erfahren Sie mehr über den Weg zur Selbstständigkeit von Domingas Schaffner. Als Sozialberaterin begleitet und berät sie Menschen mit Migrationserfahrung.

Die selbstständige Sozialberaterin und als Fachperson Wohnen bei LIV Leben in Vielfalt des Kantons Basel-Stadt tätige Domingas Schaffner wuchs in Luanda, der Hauptstadt von Angola auf. Ein Land, das bis 2002 während über zwei Jahrzehnte von einem grauenvollen Bürgerkrieg dominiert wurde. Domingas selbst hat ihren Vater nie kennengelernt. Als sie drei Monate alt war, ist er im Krieg verschollen. Fortan von ihrer Mutter und später von ihrer Tante aufgezogen, kam sie mit 24 Jahren in die Schweiz und studierte Soziale Arbeit an der Fachhochschule. 2017 machte sie sich selbstständig. Sie begleitet und berät Menschen mit Migrationserfahrung aus einer Hand zu sämtlichen Herausforderungen bei ihrem Alltag in der Schweiz.

Du hattest einen grossen Schicksalsschlag in deiner Familie. Wer waren deine Wegbegleiter:innen und Impulsgeber:innen auf deinem Lebensweg?
Meine Geschwister und vor allem meine Mutter. Sie hat ihren Mann im Krieg verloren und musste fortan sechs Kinder alleine grossziehen. Nach fünf Jahren Trauerarbeit hat sie ihr Leben neu in Angriff genommen und einen Handel aufgezogen, um so die Unterhaltskosten alleine zu stemmen und uns Kindern finanzielle Stabilität zu ermöglichen. Sie war es auch, die es organisiert hatte, dass mein Bruder und ich bei ihrer Schwester leben konnten, da es dort gute Schulangebote gab. Nach der Primar- und Sekundarschule konnte ich die Berufsschule für Lehrer:innen besuchen und war bereits damals sehr neugierig auf das Weltgeschehen. Meine Mutter hat mir den Impuls gegeben, auch nach einem schweren Schicksalsschlag immer nach vorne zu blicken und Dinge in Angriff zu nehmen. Auch die Solidarität zwischen meiner Mutter, ihrer Schwester und ihrem Schwager hat mich nachhaltig geprägt. 

Mit 24 Jahren hast du beschlossen Angola zu verlassen. Wie hast du begonnen in der Schweiz Fuss zu fassen?
Ich hatte eine Cousine, die in der Schweiz lebte und habe zu Beginn als Babysitterin gearbeitet, später auch bei McDonalds. Nach einem Jahr lernte ich meinen Mann kennen und wir haben geheiratet. Danach habe ich begonnen an der Fachhochschule Soziale Arbeit zu studieren, wurde kurz darauf schwanger und wollte mich trennen. Nebst der Betreuung meines Kindes habe ich stets gearbeitet und versucht, mein Studium voranzutreiben. Doch dies kam neben den zahlreichen anderen Aufgaben stets zu kurz.

Wie bist du zu Crescenda gekommen?
Im Jahr 2016 hat die Fachhochschule beschlossen, mich zu exmatrikulieren, da ich die Studiendauer überschritten hätte. Es fehlten mir nur noch zwei Module. Ich war ob dieser Entscheidung sehr enttäuscht und wütend. Ein Studienberater hat mich dann auf die Angebote von Crescenda aufmerksam gemacht und mich bestärkt, mich selbstständig zu machen. Daraufhin konnte ich den Gründungskurs bei Crescenda besuchen und mich im Jahr 2017 in die Selbstständigkeit begeben. 

Sich selbstständig zu machen ist mit grossem Mut verbunden. War dir schon immer klar, dass du diesen Weg beschreiten möchtest?
Die Idee, mich selbstständig zu machen, war immer schon da, aber sie war auch damit verbunden, zusätzlich eine Festanstellung zu haben. Auch heute bin ich neben meiner eigenen Firma Vector Swiss Angola beim Kanton Basel-Stadt im Sozialbereich als Arbeitnehmerin tätig. 

 

Domingas Diplom

Welche Geschäftsidee hast du im Gründungskurs von Crescenda entwickelt?
Bei Beginn hatte ich bereits eine Geschäftsidee. Durch den Kurs bei Crescenda konnte ich mir jedoch ganz viele Bereiche aneignen bzw. mich darin vertiefen. So lernte ich, wie Kundenakquise funktioniert, zahlreiche Aspekte im Bereich Finanzierung oder Marketing wurden uns vermittelt und vor allem auch, wie man einen Businessplan erstellt oder was zur Auftrittskompetenz gehört. Meine Beratungsstelle war bereits angelaufen, ich hatte damals aber noch kein Betriebskonzept. Der Gründungskurs ermöglichte es mir allererst, die Bausteine für eine solide Geschäftsidee zu entwickeln.

Welche Dienstleistungen bietet deine Firma Vector Swiss Angola an?
Ich biete Leistungen im Bereich der ganzheitlichen Migrationsarbeit an. Diese richten sich an Menschen mit Migrationserfahrung, aber auch an Menschen, die in der Schweiz wohnen und zum Beispiel in Angola oder andernorts Ferien machen möchten oder migrieren wollen. Dabei berate ich in Hinblick auf die Verhaltensweisen, die benötigten Dokumente, aber auch rund um Fragen zur Sicherheit. Menschen mit Migrationserfahrung begleite ich bei allen Fragen und Herausforderungen rund um den Alltag, angefangen beim Erstellen von Bewerbungsdossiers oder Informationen zu hiesigen Ämtern. 

Wie hast du deinen Kund:innenkreis aufgebaut?
Ich habe eine Homepage aufgeschaltet, Social Media-Kanäle bespielt und auch klassisch Flyer und Visitenkarten verteilt. Am wichtigsten war und ist die Mund-zu-Mund-Propaganda. In meiner Community sind meine Kompetenzen zu bekannt und ich werde wegen meiner Kenntnisse oftmals weiterempfohlen – das schätze ich sehr.

Gibt es seit der Gründung deiner Firma im Jahr 2017 Veränderungen in den Bereichen Migration und Integration?
Die Herausforderungen für Menschen, die sich integrieren wollen, haben sich leider kaum verändert. Es handelt sich um immer wiederkehrende Themen: Die Diplome werden nicht anerkannt, gut qualifizierte Frauen gehen daraufhin Babysitten oder Putzen und für die Menschen mit Migrationserfahrung stellt sich immer wieder die Frage, was soll ich, was möchte ich? Für viele handelt es sich um eine verzweifelte Lage, sie wissen nicht weiter, wissen nicht, was sie dürfen oder welcher Handlungsspielraum es für sie gibt. Was sich verändert hat, ist vor allem die Heterogenität der Herkünfte, diese werden immer wie vielfältiger.

Was sind für dich die bewegendsten Momente in deiner Arbeit?
Mich macht es sehr glücklich, wenn Menschen mir ihr Vertrauen entgegenbringen. Sich bei mir zu melden, ist für viele mit sehr viel Mut verbunden. Noch mehr Freude bereitet es mir, wenn sich Menschen nach Jahren erstmals öffnen und mit einem Thema zum Gespräch zu mir kommen. Das ist für mich ein grosses Glück. Es gibt viele, deren Situation sich fortlaufend verschlechtert und die auch nach Jahren kein Vertrauen haben, sie belastende Themen anzusprechen. 

Was wünscht du dir für die Zukunft?
Das es mit dem Aufbau des Gemeinwesens in Angola weiterhin vorangeht, wir an diesem Prozess mit Vector Swiss Angola beteiligt sind und sich unser Verein noch stärker verankert. Die Gesundheit meiner Familie und jene von mir liegt mir auch sehr am Herzen sowie die Begleitung von Menschen mit Migrationserfahrung, mit dem Wunsch, dass ihr Leben dadurch mehr Leichtigkeit erfährt und sie zu Gestalter:innen werden. 


Weitere Informationen zu Vector Swiss Angola finden Sie hier